Partnerschaften des DRK

Wir haben mit Christoph Janoschek gesprochen. Im Auftrag der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg gGmbH leitet er das von der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) betriebene Impfzentrum in Luckenwalde. Im folgenden Interview lässt er uns ein wenig hinter die Kulissen seiner Tätigkeit schauen.

  1. Welche Aufgaben gehören zur Leitung des Impfzentrums?
    Aufgrund des großen Aufgabenspektrums besteht unser Leitungsteam aus vier Personen. „Meine Aufgabe ist, neben ganz, ganz vielem anderen, den operativen Betrieb sicherzustellen und alles, was hinter den Kulissen erfolgt, möglichst vom Impfbetrieb fernzuhalten. Wir sind verantwortlich, sobald der Impfstoff da ist. Der Impfstoff wird zentral vergeben. Die Bestellung erfolgt über die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) – dem Betreiber der Impfzentren. Ab der Lieferung des Impfstoffes beginnt die eigentliche Arbeit: die Logistik der Impfstoffe, ihre Lagerung und Ausgabe, Protokollierung, Dokumentation. Daneben gibt es Dinge, die sowieso zu erledigen sind, wie z.B. Personalplanung, Dienstplanung, Verwaltungsaufgaben sowie die Koordinierung der verschiedenen Akteure vor Ort (Mitarbeiter, Ärzte, Mobile Teams, etc). 
    „Bei der Eröffnung des Impfzentrums hatten wir „Welpenschutz“: „Wir sind an den Start gegangen, als großer Impfstoffmangel war, am 2. Februar, und als eines der letzten Impfzentren in Brandenburg, wir als zehntes und Kyritz einen Tag später. Wir haben mit Moderna angefangen und das waren 70 Impfungen am Tag. Zum Vergleich: Heute haben wir ca. 900 Impfungen pro Tag. Wir konnten von den Erfahrungen der anderen Impfzentren lernen, Strukturen einplanen, Leute einarbeiten. Ich habe mir das Impfzentrum in Potsdam zweimal angeschaut, war beim Aufbau hier mit vor Ort und war im theoretischen Impfprozess schon gut bewandert.“ Besondere Herausforderungen bestehen dann, wenn wir z.B. drei verschiedene Impfstoffe lagern, ausgeben, mischen und verabreichen müssen – mit jeweils verschiedenen Lagerungsbedingungen, Haltbarkeiten, Chargen etc.
    Jeden Tag um 14 Uhr haben wir Jour fixe: mit Vertretern der KVBB und mit den 11 Impfzentrumsleitern aus Brandenburg. Es gibt einen regen Austausch, auch für die mobilen Teams. Die mobilen Teams unterstehen in der Planung auch dem DRK, auch deren Kontakt mit den Einrichtungen und Heimen läuft über uns. Die eigentlichen Touren fahren die Johanniter und die hierfür bestimmten Impfstoffe sind wiederum in getrennten Lagern aufbewahrt, was wiederum eine Vielzahl an Arbeitsschritten mit sich bringt.
     
  2. Was sind im Moment die größten Herausforderungen?
    Hätten Sie mich vor einer Weile gefragt, was das größte Problem ist, hätte ich „Personal“ geantwortet. Wir arbeiten seit einiger Zeit im Zwei-Schichtbetrieb. Es gab damals einen Vorlauf von 1 ½ Wochen, als die Öffnungszeiten auf 8 bis 20 Uhr und Samstag ausgedehnt wurden. Unser Personalschlüssel entsprach dem in keinster Weise. Diese Öffnungszeiten bedingten die Einführung eines 2-Schicht-Systems. Wir mussten binnen 1 ½ Wochen das doppelte an Mitarbeitern einstellen: mit einem Arbeitsvertrag, der befristet ist, mit einem 2-Schicht-System, das nicht unbedingt populär ist, mit Samstagsarbeit, in Luckenwalde. Letztendlich haben wir es nur geschafft, weil die Bundeswehr uns unterstützt hat. Jetzt haben wir die Bundeswehr und auch Ehrenamtliche aus dem DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald e.V. in der Hinterhand. Zudem stellen wir ja fortlaufend ein.
    Eine weitere Herausforderung ist, wenn wir jeden Tag ca. 20 Personen abweisen müssen: Bei der Terminvergabe wird die Impfberechtigung nicht formell geprüft, sondern nur abgefragt. Es gibt drei Indikationen, wann jemand geimpft werden kann: Alter, medizinische Indikation (Vorerkrankungen), berufliche Indikation (Arbeitgeberbescheinigung). Oft liegt dabei der Teufel im Detail: Es muss die richtige Arbeitgeberbescheinigung sein (z.B. wenn jemand in Berlin arbeitet und in Brandenburg wohnt und ggf. nicht die richtige Bescheinigung bringen kann) und es muss der richtige Stempel auf dem ärztlichen Attest sein. Es ist z.B. unfassbar schwierig, den Leuten verständlich zu machen, warum sie nicht geimpft werden können: Die Impfberechtigung gemäß Impfverordnung ist Bundessache, die Umsetzung der Verordnung ist Ländersache und die Terminvergabe Sache der Kassenärztlichen Vereinigung. Vieles, was in der Presse steht, in der Tagesschau kommt, gilt vielleicht bundesweit aber u.U. nicht für Brandenburg oder Berlin. Und wenn man schon etwas älter ist oder nicht jeden Tag Informationen via Internet hat oder mal schnell googlen kann (und selbst, wenn man das kann, ist es sehr schwierig, herauszufinden, wer, wo, wann, was impfberechtigt ist) – und das dann den Leuten zu erklären, die vielleicht 70 km gefahren sind und dann abzuweisen, ist nicht so schön. Oder einem Zahnarzt zu erklären, dass er noch nicht an der Reihe ist, während der Kieferorthopäde neben ihm geimpft werden kann, ist schwierig (das liegt dann nicht am Alter, sondern an der Definition der Prioritäten). Die Abweisung erfolgt dann durch DRK-Mitarbeiter, im Zweifel von mir. Das sind nicht immer die schönsten Sachen – zu 95 % rede ich mit den Leuten, wenn etwas im Argen ist (wenn die Mitarbeiter nicht mehr klarkommen oder jemand von der Leitung gefragt ist).
    Ebenso herausfordernd ist es natürlich, dass wir anfangs zu wenig Impfstoff und zu viele Impflinge hatten. Dann – mit der AstraZeneca-Einführung – gab es am Anfang zu viel Impfstoff und zu wenige Impflinge, weil die Priorisierungsgruppen noch sehr statisch waren. Da waren am ersten Tag von 300 möglichen Terminen neun gebucht. Dann stieg die Bereitschaft, sich mit AstraZeneca impfen zu lassen und die Priorisierungen wurden etwas aufgeweicht und dann kam die Info zur Einstellung der Impfungen mit AstraZeneca: Nachdem der sofortige Stopp verkündet wurde, hieß es, das auch sofort umzusetzen: Die Halle war proppenvoll mit Impflingen und dann ist es unsere Aufgabe, das umzusetzen. Man kann sich vorstellen, wenn sich Leute wochenlang oder monatelang bemühen, einen Impftermin zu bekommen, dann dort sitzen und warten und quasi aus der Impfkabine herausgeholt werden müssen, um ihnen mitzuteilen, dass sie heute nicht geimpft werden können und man ihnen nicht sagen kann, wie es weitergeht… Das ist ein schönes Beispiel dafür, was dann letztlich meine Aufgabe ist.
    Man muss immer am Ball bleiben, da sich jeden Tag was ändert oder ändern kann. Daher gibt es bei uns ein Morgenbriefing: was ist neu, wie gehen wir mit Fragen um (z.B. nach der Wiederzulassung von AstraZeneca) – wir sind ja keine Ärzte. Die Ärzte, die im Impfzentrum tätig sind, sind top, es sind oft niedergelassene Vertragsärzte der KVBB, die an einem Tag in der Woche ihre Praxis dichtmachen und mit ihrem Team zu uns kommen.
     
  3. Wie viele Leute arbeiten im Impfzentrum und woher sind diese Leute (Ehrenamt, Hauptamt)?
    Pro Schicht arbeiten bei uns ca. 50 bis 60 Personen: 8 bis 10 Security-Mitarbeiter, 8 bis10 Bundeswehrangehörige, 10 bis 12 hauptamtliche DRK, in den sechs Impfstraßen arbeiten 18 Ärzte und deren MFAs, zudem Johanniter Notfallsanitäter für die Notfallbetreuung im Impfzentrum sowie die Johanniter Notfallsanitäter der mobilen Teams.
    Zur Unterstützung waren Ehrenamtliche des DRK eingeplant und wurden auch schon geschult, (hierbei hatte ich Harald-Albert Swik, den Ortsverbandsvorsitzenden des DRK in Luckenwalde und Jan Spitalsky, den Kreisverbandsvorsitzenden des DRK, zum ersten Mal kennen gelernt). Das Interesse war wirklich groß – aber an dem Tag, als der erste junge Ehrenamtliche da war, wurde AstraZeneca gestoppt und die Ehrenamtlichen kamen nicht zum Einsatz – weil keine Impflinge da waren.
     
  4. Welche schönen/besonderen/überraschenden Momente haben sie schon im Impfzentrum erlebt?
    Das schöne ist: kein Tag ist wie der andere, es passiert jeden Tag etwas, im Positiven oder auch manchmal was Negatives. Aber alles, was hinter den Kulissen passiert, bekommt der Impfling, sofern er nicht abgewiesen wird, nicht mit. Der Prozess des Impfens läuft normalerweise reibungslos.
    Schön ist, wenn sich dann die ältere Dame, der ältere Herr bedanken und glücklich sind, dass sie nun geimpft sind, dann sind das immer besondere Momente. Denn da ist ja immer ein Kampf davor gewesen: Absagen, Termin bekommen, knapper Impfstoff. Wenn es dann endlich geklappt hat, sind die Leute happy. Das kriege ich zwar nicht immer mit, aber das sind die schönen Momente.
    Aber manchmal sind es auch die kleinen Dinge, die einen langen Rattenschwanz haben: Einmal kam ein Arzt – kein Vertragsarzt, also kein niedergelassener Arzt mit Praxis. Er hatte für seine Tätigkeit im Impfzentrum einen Stempel zugeschickt bekommen – aber nur einen Stempel, kein Stempelkissen. Er fragte, wo sein Stempelkissen wäre – aber wir hatten kein Stempelkissen. Dann gab es einen riesigen Rückstau, weil die daraufhin Impfkabine geschlossen werden musste, aber die Impftermine ganz normal im 5-Minuten-Takt gebucht waren. Es hat bis zum Nachmittag gedauert, bis wir endlich ein Stempelkissen hatten.
     
  5. Was haben Sie vorher gemacht? Wir haben gehört, dass Sie wohl vorher schon in München bzw. in Bayern ein Impfzentrum geleitet haben. Da ist es natürlich sehr spannend zu fragen, wie Sie von dort nach Luckenwalde gekommen ist und wie sich die Arbeit vielleicht unterscheidet.
    Ich habe Gesundheitswissenschaften studiert. Das ist eher eine Spartenwissenschaft: ein bisschen medizinischer Background, auch Management und Public Health. Typische Arbeitsfelder sind Krankenkassen, Krankenversicherungen, Hilfsorganisationen oder im Katastrophenschutz. Mein Schwerpunkt im Studium war Epidemiologie und Gesundheitsstatistik. Ich habe ein paar Praktika im Krankenhaus absolviert und habe dann, nach Abschluss meines Studiums, im Testzentrum in München am Flughafen angefangen, das damals im Zuge mit den Reiserückkehrern eröffnet wurde. Am 25. Januar 2021 habe ich zum ersten Mal die Halle, in der das zukünftige Impfzentrum in Luckenwalde eröffnet werden sollte, betreten.
    Als das Testzentrum München geschlossen wurde weil die Reiserückkehrer-Testpflicht abgeschafft wurde, habe ich mich umorientiert. Ich hätte weiter im (freiwilligen) Testzentrum arbeiten können, aber ich finde das DRK als Arbeitgeber wesentlich attraktiver als einen Flughafen. Für einen Arbeitgeber zu arbeiten, der ein wichtiges Anliegen hat – das ist mir ein wichtiges Anliegen. 
    Ist die Arbeit im Testzentrum mit der in einem Impfzentrum vergleichbar?
    Die Stationen sind ähnlich: Ankommen, Erfassung der Personen, Aufklärung, Test oder Impfung. Am Flughafen gab es eine Testpflicht, keine Terminierung, sondern nach Ankunft der Flugzeuge wurden die Passagiere bei der Einreise getestet. Ähnlich ist das Troubleshooting: Am Flughafen haben die Leute diskutiert, weil sie sich nicht testen lassen wollten – hier kommen zwar die Leute freiwillig, aber manche regen sich auf, wenn ich sie evtl. wegschicken muss, weil sie z.B. nicht impfberechtigt sind.
     
  6. Welche Fähigkeiten und Kompetenzen braucht man, um diese Aufgabe wahrzunehmen?
    Als quasi Berufsanfänger hatte ich hier die Möglichkeit, tolle Erfahrungen zu sammeln. Es geht in erster Linie um Softskills. Eine direkte Vorbereitung auf die neue Aufgabe gab es nicht. Ich habe ehrenamtlich einige Erfahrungen in Gremien gesammelt: Ich habe schon mal ein selbstverwaltetes Studentenwohnheim geleitet, war Vorsitzender einer Wohnungsgenossenschaft, habe einige Vereine gegründet oder geschlossen, Durch die Leitung des Testzentrums habe ich auch Fähigkeiten in der Gremienarbeit und beim Konfliktmanagement erlernen können.
     
  7. Haben Sie gewusst, auf welche Herausforderung Sie sich einlassen?
    Ja und nein: Meine Tätigkeit jetzt hat nicht viel mit meinem Studium zu tun, außer vielleicht ein bisschen Excel. Einiges kannte ich aus dem Testcenter schon: Ob ich mit einem Passagier streite, weil er nicht getestet werden will, oder mit einem Impfling, weil er (noch) nicht geimpft werden darf, macht keinen Unterschied. Überall gibt es Gewusel und mehrere Akteure. Das Zusammenspiel der Akteure ist für mich auch nicht neu. Es ist auch nicht neu, dass es etwas komplett Neues ist – sowohl ein Testzentrum als auch ein Impfzentrum – sowas gab‘s vorher noch nicht, man kann nicht auf Erfahrungen anderer aufbauen. Man muss viel improvisieren und man spielt Feuerwehr: Man muss Entscheidungen treffen, wo man nicht immer weiß, wie es ausgeht – wenn alles gut läuft, war es die richtige Entscheidung, wenn es danach nicht so gut läuft, dann war es nicht die richtige Entscheidung.
    Ich lerne unfassbar viel: Ob Verwaltungssachen, die ich im Studium so nie gelernt habe oder wie die unterschiedlichen Behörden und Organisationen zusammenarbeiten (Gesundheitsministerium, Kassenärztliche Vereinigung, Johanniter, DRK, Hilfsorganisationen). Es ist richtig fordernd. Aber wenn dann die Frage kommt, was ist schön daran: Das gab‘s vorher noch nie. Man kann sich in seinen Grenzen austoben, man muss sich in seinen Grenzen austoben. Manchmal auch frustrierend. Aber auch tolle Chance. Es ist kein 9 to 5 Job, definitiv nicht. Ich hoffe, dass wir irgendwann in einem wie auch immer gearteten Normalbetrieb sind und Planungssicherheit haben. Im Moment arbeite ich definitiv mehr als 40 Stunden pro Woche. Aber die Aufgabe hat ein Ablaufdatum, darauf arbeiten wir hin. Irgendwann geht es vollständig in die Hausarztpraxen. Wie dann mit der Wartezeit nach der Impfung und der Belieferung mit Impfstoff umgegangen wird, sind dann nochmal andere Herausforderungen.
     
  8. Haben Sie schon einen Plan für hinterher?
    Nein, ich bin mit Sack und Pack nach Luckenwalde gezogen, habe die Freundin mitgenommen und jetzt haben wir hier eine sehr schöne Wohnung. Was ich hinterher mache – damit beschäftige ich mich, wenn es soweit ist.

Was mir noch wichtig ist:
Ohne meine Kollegen vor Ort, ohne die vielen Akteure, die mitdenken, mitanpacken und gemeinsam diese Aufgabe angehen – wäre diese Herausforderung nicht zu stemmen. Dafür bin ich sehr dankbar!

© DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald e.V.